„Das Supertalent“ 2012: Die Staffelpremiere

Gestern um 20.15 Uhr flimmerte die erste Ausgabe der neuen Supertalent-Staffel über die Bildschirme. Wie seit Wochen bekannt sitzen dieses Mal Michelle Hunziker und Thomas Gottschalk neben Dieter Bohlen in der Jury.

Eine Bestandsaufnahme nach 60 Minuten Sendezeit.

Ob Thomas Gottschalk selbst davon überzeugt ist, dass seine Zusage als Juror beim Supertalent eine gute Idee war?

Geradezu unwohl scheint er sich zu fühlen, wenn er am Jurypult sitzt. Ein leerer Blick, zwei Augen, in denen nichts mehr funkelt. Nicht selten erhascht man sogar einen skeptischen bis angeekelten Ausdruck, wenn – wie so häufig beim Supertalent – ein kleines Kind oder ein bemitleidenswerter Weltfremder der Menge vorgeführt wird. Zu oft jedoch weichen diese ehrlichen Offenbarungen seines Innenlebens ganz schnell und professionell einer starren, aufgesetzten Fröhlichkeitsmaske.

Etwas länger spürbar bleibt Gottschalks Abneigung, als Dieter Bohlen sich beim Auftritt eines wenig begabten Wolfgang-Petry-Imitators mit dem Buzzern genüsslich Zeit lässt, jede Sekunde auskostet und das fehlende dritte X so lange hinauszögert bis das Publikum ihn in Sprechchören dazu anfeuert, dem Elend ein Ende zu bereiten. Wie ein Dolchstoß wird die Szene zelebriert, ein Dolchstoß in das Herz eines unschuldigen Medienfremden, der sich selbst nicht richtig einschätzen kann.

Besonders pikant: Sowohl auf der Bühne als auch beim Backstage-Gespräch erklärt der Kandidat, er habe mit den verantwortlichen Redakteuren ausdrücklich einen Vollplayback-Auftritt abgestimmt. Auf das eingespielte Halbplayback, bei dem die Singstimme fehlt, sei er gar nicht vorbereitet gewesen.

Singen wollte der Mann also nie, lediglich zur Konservenmusik performen. In so einem Fall von Manipulation und bewusstem Vorführen eines unbedarften Gemüts zu sprechen, ist sicherlich nicht übertrieben. Erstaunlich, dass die Produktionsfirma und RTL diesen Beweis für ihr unlauteres Treiben in der endgültigen Schnittfassung der Sendung behielten.

Thomas Gottschalk hat eine neue Aufgabe

Thomas Gottschalk hat eine neue Aufgabe

Aber zurück zu Thomas Gottschalk: Waren in den vergangenen Staffeln nur die Kandidaten auf der Bühne Ziel des Spotts, bleibt dieses Mal auch der ehemalige „Wetten, dass..?“-Moderator als neues Jury-Mitglied nicht vor Häme gefeit. Gern greifen die Sendungsverantwortlichen O-Töne eines rundlichen Kinderkandidaten auf, der sehr wohl Dieter Bohlen und Michelle Hunziker beim Namen nennen kann, dem aber Thomas Gottschalk nur als „Mann aus der Haribo-Werbung“ bekannt ist. Die subversive und unmissverständliche Botschaft der Redaktion ist klar: „Deine ruhmreichen Tage als Moderator der größten Unterhaltungsshow Europas sind längst gezählt, in unserer Sendung und beim jungen Publikum spielst Du neben Dieter nur noch die zweite Geige.“

Während es Thomas Gottschalk offensichtlich nur darum ging, nach dem Aus seiner wenig erfolgreichen Vorabendsendung überhaupt irgendwo mitspielen zu können, stellt sich die Frage, ob dies nicht zwangsläufig dazu führt, dass er Glaubwürdigkeit und Ansehen leichtfertig verspielt.

Seit die sinkenden „Wetten, dass..?“-Quoten von den Medien thematisiert wurden, versuchte sich Gottschalk als Verfechter des Qualitätsfernsehens zu positionieren. Das bohlentypische Niedermachen von Kandidaten war ihm ein Graus, über Dschungelcamps und Ekelprüfungen machte er sich lustig. Geschah dies nun aus echter Überzeugung oder machte sich dort schlicht der gekränkte Stolz eines gestürzten Quotenkönigs bemerkbar?

Der verzweifelte Versuch, „Wetten, dass..?“ im Gegenprogramm zum RTL-Dschungelcamp mit einer Kot-Wette zu würzen, legt Letzteres nahe. Und auch die Zusage als Juror neben Bohlen spricht für sich.

Peinlicher und unglaubwürdiger wird es nur noch dann, wenn Gottschalk sein eigenes Urteil (z.B. berechtigte Zweifel, ob die ein oder andere Nummer im Halbfinale noch ausbaufähig seien) wie ein Fähnchen im Winde dem Urteil des Chef-Jurors Bohlen anpasst oder in markiger Bohlenmanier selbst ein paar fiese Sprüche raushaut.

In Gottschalks Haut möchte man dieser Tage wirklich nicht stecken. Die Zusammenarbeit mit Bohlen muss für ihn wie ein fieser, bohrender Nadelstich sein.

Im März 2006 programmierte RTL den fürs Kino produzierten, dort aber nie gezeigten Zeichentrickfilm „Dieter – Der Film“ gegen Gottschalks Samstagabend-Flagschiff „Wetten, dass..?“. Eine Programmierung mit geringen Erfolgsaussichten – damals nicht ungewöhnlich, denn die Fernsehsender leisteten Gottschalk mit minderwertiger B-Ware stets geringen Widerstand. Umso überraschter dürfte man am nächsten Morgen in Köln gewesen sein, als man einen Blick auf die Quoten warf: Bei 5,51 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 15,9 % wird sich der ein oder andere Verantwortliche verwundert die Augen gerieben haben. Kein guter Tag für Gottschalk, denn fortan galt „Wetten, dass..?“ als angreifbar und sein persönlicher quotenbezogener Spießrutenlauf nahm seinen Anfang. RTL-Shows wie DSDS pausierten nicht mehr, wenn Gottschalk auf Sendung ging, die Quoten in der jungen Zielgruppe gingen nach für nach zurück.

Die Omnipräsenz der Quotendebatte scheint bei Gottschalk ein nachhaltiges Trauma ausgelöst haben. Dabei ist der sinkende Erfolg von „Wetten, dass..?“ beinahe ein Stück herbeigeredet. Während in den 80er Jahren Fernsehserien mit 18 Mio. Zuschauern als großer Erfolg galten, war dies in den 2000er Jahren bereits bei Fernsehserien mit 6 Mio. Zuschauern der Fall. Die absolute Zahl beträgt in diesem Fall nur noch ein Drittel des vormaligen Wertes. „Wetten, dass..?“ als große Samstagabendshow hatte in den 80er Jahren in der Regel 15-17 Mio. Zuschauer, pendelte sich am Ende zwischen 9 und 10 Mio. Sehern ein. Immerhin zwei Drittel der früheren Bestwerte konnten somit gehalten werden.

Die neue Supertalent-Jury

Die neue Supertalent-Jury

Aber vorbei ist vorbei: Quotengeil sitzt Gottschalk nun neben seinem alten Widersacher beim „neuen Supertalent“. Dort hat man an vielen Schräubchen gedreht, um die Sendung frischer wirken zu lassen: Neue Jury, neue Titelmusik, neuer Aufzeichnungsort, neue Einzelmoderation, neuer Goldbuzzer, neue Sternmedaillen für die Viertelfinalisten. Dennoch tragen die Modifikationen kaum zu einer geänderten Wahrnehmung oder einem überraschenderen Seherlebnis bei. Einzig und allein die Reduzierung der ständigen Rückblenden und Zeitlupen fällt positiv auf – aber ich will mich nicht zu früh freuen: Damit könnte es schnell wieder vorbei sein – wenn Michelle ihren bösen, bösen Unfall hat.

Deutschlandweit bewirbt RTL die Sendung auf riesigen City-Light-Postern mit der Tagline „Es wird Zeit für einen größeren Fernseher“. Nach 60 Minuten zuschauen kann ich voller Überzeugung sagen, es wird Zeit den Fernseher auszuschalten. ■

Schwelendes Buschfeuer bei „Wetten, dass… ?“

Ab 20.15 Uhr erstmal bei „Wetten, dass… ?“ reinschauen und dann um 21.30 Uhr zum Dschungelcamp wechseln – so sah meine Fernsehplanung für gestern Abend aus. Doch schon nach einer Viertelstunde fand ich „Wetten, dass… ?“ ekliger als alles, was ich bisher im Dschungel zu sehen bekam…

Schon die Begrüßung bei „Wetten, dass… ?“ mutet seltsam an: Gottschalk, kühl und nervös, verzichtet auf den obligatorischen Stand-Up und geht direkt nach dem tosenden Einstiegsapplaus zur zwitterhaften Stadt-/Saal-Wette über. Ich fühle mich ein bißchen weniger angekommen als sonst, schaue aber tapfer weiter zu.

Jörg Pilawa wird als erster Gast auf die Couch gebeten. Mich erinnert er an die Grinsekatze aus „Alice im Wunderland“, Gottschalk hingegen kündigt ihn ganz bescheiden als Vertreter des Bildungsfernsehens an: Schließlich moderiere der Kollege ja Quizsendungen und als Zuschauer sei man hinterher immer etwas schlauer. Und schon legen die beiden los und betreiben ein scheinheiliges Format-Bashing gegen das Dschungelcamp.

Eine derart große Ansammlung von Silikon sei einzigartig in Deutschland – und sowas wolle ja nun wirklich niemand sehen. Ich frage mich jedoch, ob die Brust-OP-Quote von Gottschalks Damenbesuch wirklich deutlich kleiner ist. Im Dschungel liegt der Schnitt bei 3:2 (und das Implantant, wie wir gelernt haben, über oder unter dem Muskel) und dieses Verhältnis scheint mir für Hollywood-Schönheiten und deutsche Promi-Ladies generell eine realistische Schätzung.

Ob es eine Option sei, wenn sich Moderatoren ihres Kalibers auch einmal mit ekligem Getier umgeben würden, lautet Gottschalks nächste Frage sinngemäß. Die Antwort des unfassbar überheblich wirkenden Pilawa ist natürlich ganz klar nein, das Publikum wird durch eine übertrieben lange Pause zu einem ungewollten Zwischenapplaus gezwungen.

Aber ob nun Gottschalk als Würstchen im Senftopf badet oder Peter Bond geaalschleimt und gefedert wird, das Niveau ist absolut das gleiche – nur die gute Quote liegt eben nicht mehr beim sinkenden Samstagabend-Flagschiff und seinem divenhaften, gekränkten Moderator, der sich damit nicht so recht abfinden mag.

Noch während des Talks mit Pilawa erkläre ich den „Wetten, dass… ?“-Abend für beendet. Eine gute Entscheidung, wie sich hinterher herausstellt. Denn auch die Kot-Wette und die transig-tuckige Karnevalsgarde sind deutliche Anbiederungen an das offziell verhasste, insgeheim aber zum Vorbild genommene RTL-Konkurrenzprogramm.

Den Quotenkampf entscheidet „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ übrigens mit 37,5 zu 24 Prozent Zielgruppen-Marktanteil klar für sich. Und auch in puncto Öffentlichkeitswirkung und Medienecho liegt der Dschungeltrash vorn: SPIEGEL ONLINE etwa veröffentlicht sage und schreibe drei Artikel zum Finale von „IBES“ und einen zum Thema „Wetten, dass… ?“.  ■

http://www.quotenmeter.de/cms/?p1=n&p2=32738&p3=